Der Lamson-Aerocurve
(get the english Version )


Bei einer meiner vielen Internet-Touren stieß ich im September 2002 zufällig auf zwei Bilder von einem so genannten Lamson-Aerocurve. Dieser Drachen faszinierte mich sofort und ich schrieb den Besitzer der Seite zwecks eines Bauplans an - aber nichts geschah. Auch fand ich auf keiner anderen Seite etwas über diesen tollen Kastendrachen. Also beschloss ich, einen eigenen Plan zu entwerfen - auch wenn mein Lamson dann anderes gebaut wäre als das Original.

Erst nach Fertigstellung meines Lamsons erfuhr ich durch die Newsgroup (de.rec.drachen) mehr über diesen Drachen und bekam auch einen Buchtipp, in dem es einen Bauplan von diesem Drachen in Originalgröße (Spannweite 446 cm) und aus klassischen Materialien gibt.

Und schließlich wurde ich von Ralf Maserski, dem 2. Vorsitzenden des DCD, angesprochen, ob ich von meinem verkleinerten (Spannweite ca. 150 cm) und aus modernen Materialien gebauten Lamson einen Bauplan in der HochHinaus 1/2003, dem Vereinsmagazin des DCD, veröffentlichen wollte - und hier ist er nun:

Solltest Du noch ein paar Detailfotos benötigen, findest Du diese hier.

Fotos von fertiggestellten Aerocurves nach meinem Plan findest Du hier.

Materialliste:
• 2,5 m Segeltuch, bei einer Laufbreite von 140 cm (Spinnaker, Fallschirmseide etc.)
• 15 m Spinnakersaumband
• 1,5 m Dacron 5 cm (evtl. 3,60 m für die Stabtaschen)
• 12x ca. 50 cm CfK-Rohr 6 mm (Segellatten)
• 2x ca. 58 cm CfK-Rohr 6 mm (Querspreize hinterer Flügel)
• 4x ca. 45 cm CfK-Rohr 6 mm (Senkrechte)
• 4x 150 cm CfK-Rohr 6 mm (Kielstäbe und Querspreizen vorderer Flügel)
• 4x Einschlagöse
• 5x Splittkappe 6 mm
• 0,3 m Gewebeschlauch 6 mm (Innendurchmesser)
• 2,5 m 6 mm breites Material für Schlaufen
• 16 m 30 kp Schnur
• 2x Schnurspanner

Der Plan:
Um Missverständnisse zu vermeiden, habe ich sämtliche Segelteile beschriftet (Skizze 2).
Für das Fertigen der Schablonen gibt es zwei Möglichkeiten: entweder nach Skizze 1 hier selber Schablonen zeichnen, oder hier die 1:1 Schablonen als PDF (67kb) downloaden, alle Seiten ausdrucken und Kante an Kante aneinanderkleben, ausschneiden, fertig!

Sämtliche Segelteile des Lamson werden später umsäumt und können daher kalt geschnitten werden. Wer ohne Spinnakersaumband arbeiten und nur einen einfachen Saum fertigen will, muss die Saumzugabe an die Schablonen addieren und sollte die Teile heiß schneiden.
Um Schablonenmaterial zu sparen, sind die Quersegel alle in einer Schablone vereint - sie unterscheiden sich nämlich nur durch die Gesamtlänge und die Anordnung der Aussparungen. So kann man erst das vordere Quersegel (1x) ausschneiden, dann die Schablone wie angegeben kürzen und die seitlichen Quersegel (2x) fertigen, wieder die Schablone kürzen und schließlich das hintere Quersegel (1x) ausschneiden. Die Aussparungen für die Stabdurchführungen sollten erst später ausgeschnitten werden!
Das gleiche gilt für die vorderen Flügel. Hier wird erst zweimal die obere Flügelhälfte ausgeschnitten, dann das gestrichelte Stück von der Schablone abgeschnitten und nun zweimal die untere Flügelhälfte ausgeschnitten. Wer möchte, kann die beiden Flügel auch aus einem Stück fertigen, was zwar eine Naht spart, allerdings mehr Material erfordert.
Zusätzlich werden noch acht 45 x 4 cm große Streifen für die Stabtaschen auf den vorderen Flügeln benötigt.


Nähen:
Bevor alle Teile gesäumt werden, werden an den äußeren Spitzen (links/rechts) der vorderen Flügel sowie an den hinteren Spitzen der hinteren Flügel Dacronverstärkungen aufgenäht. Hier müssen später Schlaufen zum Spannen der Segel aufgenäht bzw. Ösen eingeschlagen werden, die nicht ausreißen dürfen.
Nun werden sämtliche Teile an folgenden Kanten gesäumt: die 4 Quersegel an beiden abgerundeten Seiten - nicht an den geraden! Die beiden hinteren Flügel werden an allen drei Seiten, und die vorderen Flügel bis auf die "Zusammenfügenaht" der beiden Flügelhälften komplett gesäumt. Sollen die Stabtaschen aus Segelmaterial gefertigt werden, müssen diese an den kurzen Seiten (4 cm) auch gesäumt werden.

Bevor es nun ans Zusammennähen der einzelnen Segelteile geht, müssen erst noch die Dacronverstärkungen für die Stabdurchlässe auf die Quersegel genäht werden. Hierzu werden acht Dacronstücke mit einer Länge von 7,7 cm benötigt. Diese werden an einer Seite abgerundet, damit sie dort nicht ausfransen können. Anschließend werden sie - wie in den Schablonen angegeben - auf die Quersegel genäht. Dazu noch eine kleine Erläuterung: Da in den Schablonen alle drei Quersegelgrößen in einer Schablone enthalten sind, muss genau darauf geachtet werden, welche Aussparung zu welcher Segelgröße gehört (durchgezogene Linie = Quersegel vorne, großgestrichelte Linie = Quersegel hinten, kleingestrichelte Linie = Quersegel rechts/links).
Zum Abschluss werden mit einem Lötkolben die Aussparungen ausgeschnitten, wodurch die Kanten direkt versiegelt sind. Es reicht vollkommen, die Verstärkungen nur auf einer Seite aufzunähen. Doppelt aufgenähte Verstärkungen könnten beim Schließen der Stabtaschen zu dick werden - aber dazu gleich mehr.

Beim folgenden Zusammennähen wird der Lamson in zwei Teile geteilt, wobei die Fertigungsreihenfolge unwichtig ist. Einmal der vordere Teil (2 Seiten-Quersegel, ein vorderes Quersegel und die beiden vorderen Flügel) und der hintere Teil (hinteres Quersegel und die beiden hinteren Flügel).

Beginnen wir mit dem einfacheren, hinteren Teil:
Bei beiden hinteren Flügeln wird die gerade untere Kante 20 mm umgeklappt und 12 mm von der entstanden Falzkante gerade auf das Segel genäht.
Jetzt wird's etwas kniffliger:
Nun wird auf einem Flügel eine Mittellinie von der Spitze aus zur unteren Kante angezeichnet. Ebenso wird auf dem unteren Quersegel eine Linie in der Mitte der später entstehenden Stabtasche (20 mm von der Außenkante) gezeichnet. Jetzt wird der Flügel mit der vorhin genähten Stabtasche nach oben Linie auf Linie genäht. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Flügelspitze bündig mit der hinteren Schleppkante des Quersegels abschließt. Vorsicht: nicht die fertige Stabtasche am Flügel mit zunähen!!!
Wer dachte, dass das schon knifflig war, der wird sich wundern: Jetzt entstehen die Stabtasche für den Kielstab...
Hierzu wird das hintere Quersegel an der gerade bearbeiteten Seite 8mm und ein zweites Mal 20mm von der Kante entfernt gefalzt. Das kann etwas schwierig werden, da am hinteren Teil bereits der Flügel festgenäht wurde. Zum Schließen der Stabtasche wird diese so nah wie möglich an der gerade entstandenen ersten Falzkante auf das Quersegel genäht - fertig! Diese doppelte Falzung bewirkt, dass die Schnittkante des Segels in der Stabtasche verschwindet.
Das ganze wird jetzt noch einmal mit dem anderen hinteren Flügel am selben Quersegel genäht.

Widmen wir uns nun dem etwas aufwändigeren, vorderen Teil:
Als erstes werden auf jede Flügelhälfte die beiden inneren Stabtaschen genäht - auf die Unterseite des unteren Flügels und auf die Oberseite des oberen Flügels. Um keine offenen Kanten zu behalten, werden die schmalen Streifen an den beiden langen Kanten 8 mm gefalzt und dann flach auf die Flügel genäht. Auf der Unterseite des unteren Flügels wird jeweils bei der äußeren Stabtasche direkt ein Waagepunkt mit angebracht. Hierzu wird eine 6 cm lange Schlaufe aus schmalem Gurtband oder dreifach gelegtem Saumband - 18 cm von der vorderen Flügelkante aus - mit der Stabtasche zusammen festgenäht. (Skizze 3)

Wer die Flügel aus zwei Hälften gefertigt hat, verbindet diese jetzt mit einer Kappnaht.
Nun kommt dreimal der schon vom hinteren Teil bekannte Arbeitsschritt: Linie auf dem Flügel anzeichnen, auf das entsprechende Quersegel nähen und an diesem die Stabtasche schließen. In der Mitte ist darauf zu achten, dass die hintere Kante der Flügel mit der hinteren Kante des Quersegels bündig abschließt.

Nun kommt eine langwierige und langweilige Arbeit - das Aufnähen von Schlaufen. An sämtlichen Ecken des Segels - bis auf die äußeren Spitzen der vorderen Flügel - werden Schlaufen aus schmalem Gurtband oder dreifach gefaltetem Saumband aufgenäht. Diese sollten nachher ca. 3 cm über die Segelkante hinaus stehen. Insgesamt werden es 14 Schlaufen an jedem vorderen Flügel, 3 an jedem hinteren Flügel und nicht zu vergessen, 2 an der oberen und unteren Kante des hinteren Quersegels.
Als letztes wird in die vier äußeren Spitzen der vorderen Flügel eine Öse ca. 1 cm von den Kanten aus eingeschlagen.

Das Gestänge:
Bevor es ans Einstaben geht, müssen erst noch Verbinder aus Gewebeschlauch hergestellt werden. Hierzu werden acht Schlauchstücke mit 3,5 cm Länge zugeschnitten. In jedes Stück wird 4 mm von der unteren Kante aus ein Loch gebohrt (6 mm Durchmesser). Zwei Verbinder sind damit fertig für den hinteren Teil des Lamson. Die restlichen sechs Verbinder bekommen im 90° Winkel noch ein 6 mm-Loch 2 mm über dem vorherigen Loch. Somit ist ein Kreuzverbinder entstanden, der auch noch eine senkrechte Stabaufnahme beinhaltet.
Das Einstaben ist insofern schwierig, dass die 12 Segellatten der vorderen Flügel - wegen der eventuellen Nähungenauigkeiten - einzeln angepasst werden müssen. Beim Spannen der aufgenähten Schlaufen über die Enden der Stäbe ist ein flacher Schraubendreher ein nützliches Werkzeug. Damit die gerade eingespannten Schlaufen nicht wieder von den Stabenden rutschen, werden sie mit einem übergeschobenen 1 cm langen Stück Gewebeschlauch gesichert. Das Ganze kann natürlich auch mit Splittkappen geschehen, ist aber unnötig teurer.
Das gleiche gilt auch für die Querspreizen in den beiden hinteren Flügeln. Beim Einsetzen der äußeren Segellatten wird in der Segelaussparung jeweils ein Verbinder mit dem unteren Loch aufgeschoben.

Als nächstes werden die beiden Kielstäbe auf eine Länge von 145 cm gekürzt und in die mittleren Stabtaschen des vorderen Teils geschoben. Vorne wird der obere Kielstab mit einem Gewebeschlauchstück gesichert. Der untere Kielstab bekommt dort eine Splittkappe, da er später auch noch eine Spannschnur aufnehmen muss. Nun den hinteren Teil des Lamson auf die beiden Kielstäbe aufziehen und die Schlaufen am hinteren Ende ebenfalls durch Gewebeschlauch sichern. Beim Einschieben der Kielstäbe an die letzten vier Verbinder denken!
Nun wird ein ca. 50 cm langes Schnurstück am oberen Flügel an die mittlere Schlaufe des vorderen Teils geknotet (am Kielstab). Nachdem der Schnurspanner aufgezogen wurde, wird die Schnur durch die obere Schlaufe am hinteren Teil des Lamson wieder zurück zum Schnurspanner geführt und dort verknotet. Das ganze wiederholt sich mit dem zweiten Schnurspanner am unteren Kielstab. Nun kann der Lamson zumindest in Längsrichtung schon auf Spannung gebracht werden.

Nun werden die beiden Spreizen auf eine Länge von 150 cm gekürzt. Diese müssen nur noch durch die oberen Löcher der jeweils drei Verbinder geschoben und an beiden Enden mit einer Splittkappe versehen werden. Jetzt kann der Lamson auch in Querrichtung unter Spannung gesetzt werden. Hierzu werden vier 30 cm lange Schnurstücke geschnitten und zu Schlaufen verknotet. Zum Spannen wird die Schlaufe durch die Öse der Segelspitze gesteckt und in die Splittkappe gelegt. Nun kann wie bei einem Flaschenzug durch Ziehen des anderen Endes der Schlaufe in Richtung der Splittkappe das Segel unter Spannung gebracht werden. Ist der Punkt mit der richtigen Spannung erreicht, einfach die Schlaufe durch einen weiteren Knoten kürzen und in die Splitkappe einhängen. Der Vorteil dieser Methode: Sollte sich das Segelmaterial gedehnt haben, wird der Knoten in der Schlaufe verschoben und schon ist das Segel wieder straff gespannt.

Jetzt ist der Lamson so gut wie fertig - nur ist er noch etwas platt. Also kommen als Letztes noch die 4 Senkrechten. Die Länge dieser Stäbe ist auch wieder abhängig von den Verbindern und der Nähgenauigkeit. Deshalb am besten vorher messen, wie lang die Stäbe sein müssen - theoretisch sollten es 44,6 cm sein.
Diese Stäbe beim ersten Aufbau in den Lamson zu bekommen, ist wirklich schwierig, wird aber etwas einfacher, wenn er einmal eingeflogen ist, da sich das Segelmaterial dann noch etwas weitet. So, und jetzt steht er so gut wie fertig da - der Lamson-Aerocurve.

Die Abspannungen:
Damit sich der Lamson im Flug nicht verzieht, benötigt er ein paar Abspannung - die aber im Gegensatz zum Original wirklich einfach sind.
Als erstes wird ein 70 cm langes Schnurstück an beiden Enden mit Schlaufen versehen und rechts und links von der unteren vorderen Spitze des Lamson mit einem Buchtknoten hinter dem Gewebeschlauchring befestigt. Wird diese Schnur nun durch die Splittkappe am unteren Kielstab geführt, sollte sie unter Spannung stehen. Ist dies nicht der Fall, muss eine der beiden Schlaufen verlängert oder verkürzt werden.
Um zu verhindern, dass sich die beiden hinteren Flügel im Flug schräg stellen, werden zwei Schnurstücke benötigt, die inklusive der Schlaufen, die an beiden Enden geknotet werden, 48,5 cm lang sind. Abweichungen durch Nähungenauigkeiten sind auch hier möglich! Diese beiden Schnüre werden auf beiden Seiten der Flügel jeweils oben und unten über den Schlauchring am Ende des Querstabes gehängt - nun sollten beide Flügel parallel zueinander stehen.

Die Länge der letzten vier Spannschnüre ist auch selbst zu ermitteln. Sie verlaufen von der mittleren, hinteren Schlaufe des vorderen Teils über eine Schlaufe an der äußeren Flügelspitze des hinteren Teils, zum hinteren Ende der äußeren Segellatte des vorderen Flügels. (Skizze 4) Das war jetzt kompliziert? Stimmt - ist aber eigentlich recht logisch, wenn man sich den Lamson mal genau ansieht. Durch diese Schnüre wird der vordere Teil fest mit dem hinteren Teil verbunden, so dass sie eine Einheit bilden. Am besten befestigt man diese Abspannung mit Rutschknoten oder auch mit Schnurspannern, damit sie je nach Windverhältnis nachgespannt werden können.
Das Ganze wird natürlich auf der rechten und der linken Seite sowie oben und unten benötigt.

Die Waage: (Skizze 4)
Wie ich im Nachhinein festgestellt habe, hat Charles Lamson seinen Aerocurve mit zwei Leinen versehen - einem Flugseil und einem Startseil - wodurch der Anstellwinkel des Drachen in der Luft variiert werden konnte. Ich habe aber im September 2002 noch aus Unwissenheit eine dreiteilige Waage gebaut, die den Lamson auch ohne Startseil sicher in die Luft und auch wieder zum Boden bringt. Außerdem birgt meine Waage viele Einstellmöglichkeiten, wodurch der Lamson auf jeden Wind einzustellen ist.
Waage 1 hat eine Länge von 335 cm und verbindet die beiden Waagepunkte, die mit den Stabtaschen aufgenäht wurden, am unteren Flügel miteinander. In der Mitte dieser Leine wird eine Markierung gemacht. Waage 2 hat ebenfalls eine Länge von 335 cm und verläuft von der Splitkappe am vorderen Ende des unteren Kielstabes zur vorderen Schlaufe am unteren Flügel.
Waage 3 wird an beiden Enden mit Schlaufen versehen und hat eine Gesamtlänge von 150 cm. Mit einem doppelten Buchtknoten wird das eine Ende in die Mitte von Waage 1 geknotet. Das andere Ende wird ebenfalls mit einem doppelten Buchtknoten in Waage 2 geknotet - ca. 175 cm vom hinteren Waagepunkt aus entfernt. In die Mitte von Waage 3 wird - auch wieder durch einen doppelten Buchtknoten - eine 10 cm lange Schlaufe geknotet, an die die Flugleine gehängt wird.
Durch den doppelten Buchtknoten kann diese Waage schnell und einfach verstellt und an den Wind angepasst werden. Fliegt der Lamson zu einer Seite, ist die erste Waageleine nicht genau mittig angebracht. Braucht er mehr oder weniger Auftrieb, kann das Verhältnis der beiden Waageschenkel von Waage 2 verändert werden. Zusätzlich muss die Schlaufe für die Flugleine an Waage 3 verschoben werden, damit Waage 1 und 2 gleichmäßig gespannt sind.

Und nun wünsche ich viel Spaß beim Bau des Lamson-Aerocurve und einen guten Flug. Über Fragen, Anregungen oder Fotos neuer Lamsons freue ich mich jederzeit unter info at drachenfliegerinnung.de